Leasing im Wandel – Herausforderungen und Chancen für die Zukunft
Die Leasing-Branche steht vor strategischen Umbrüchen: geopolitische Unsicherheiten, technologische Umbrüche und zunehmende regulatorische Anforderungen verändern das Marktumfeld. Dies führt zu einer Veränderung der Marktdynamik zwischen Captives, unabhängigen und bankennahen Leasing-Gesellschaften sowie Plattformanbietern. Hierdurch eröffnen sich allerdings auch vielfältige Chancen für die einzelnen Marktteilnehmer, sofern sie sich strategisch differenzieren und ihre individuellen Stärken gezielt ausspielen. Der Gastbeitrag beleuchtet, wie kleine, mittlere und große Leasing-Gesellschaften auf die Veränderungen reagieren können und welche Herausforderungen es zu beachten gilt.
1. Neue Geschäftschancen
Angebot flexibler Finanzierungslösungen: Trotz eines hohen Investitionsbedarfs sehen sich viele Unternehmen aktuell mit einer Vielzahl externer Unsicherheiten konfrontiert. Geopolitische Spannungen, volatile Zinsmärkte und konjunkturelle Schwankungen machen klassische Finanzierungsformen zunehmend unattraktiv und lassen die Nachfrage nach flexiblen Finanzierungslösungen spürbar wachsen. Leasing kann hier als Enabler für Innovation, Nachhaltigkeit und Wachstum eine zentrale Rolle einnehmen.
Digitale Angebote: Embedded Finance, datenbasierte Services und automatisierte Prozesse transformieren die Kundenschnittstelle grundlegend. Sie ermöglichen nicht nur Effizienzsteigerung, sondern insbesondere auch die Schaffung neuer Umsatzpotenziale, zum Beispiel durch digitale Zusatzservices, XaaS-Modelle oder die Integration von Leasing-Lösungen in die digitalen Ökosysteme der Kunden. Dies setzt eine frühzeitige Investition in die Digitalisierung der eigenen Systeme voraus.
Nachhaltige Finanzierungen: Nachhaltigkeit und ESG gewinnen an Bedeutung, sowohl durch regulatorische Anforderungen als auch durch veränderte Kundenpräferenzen. Leasing-Modelle sind prädestiniert für Geschäftsmodelle rund um Circular Economy und ermöglichen Kunden, nachhaltiger Technologien ohne hohe initiale Investition zu nutzen. Auch wenn die Restwerte von BEV-Fahrzeugen tendenziell geringer ausfallen als bei vergleichbaren ICE-Fahrzeugen und mit höherer Unsicherheit behaftet sind, werden Leasing-Unternehmen mit einem substanziellen Anteil an der Finanzierung der BEV-Flotten beteiligt sein. Zusätzlich kann die Branche eine Schlüsselrolle für andere grüne Assets einnehmen, indem sie Investitionen erleichtert und ESG-konforme Finanzierungsmodelle entwickelt. Eine Herausforderung stellen hier öffentliche Förderprogramme dar, die oftmals bei geleasten Assets nicht greifen. Hier sollte die Branche ihre Unterstützung der grünen Transformation beim Gesetzgeber verdeutlichen.
Wachsende Asset-Klassen: Asset-Klassen wie IT-Equipment, Medizintechnik, Device-Leasing und Bike-Leasing bieten zusätzliche Wachstumsfelder. Auch im öffentlichen Sektor entstehen durch staatliche Förderprogramme neue Potenziale für Leasing-Lösungen – etwa im Bereich Bildung, Digitalisierung oder nachhaltige Mobilität. Gerade aufgrund der Service-Relevanz bei diesen Asset-Klassen sind Leasing-Anbieter bestens positioniert, um weitere Marktanteile zu übernehmen.
2. Chancen für kleine, mittlere und große Leasing-Gesellschaften
Die Heterogenität der Branche ist eine ihrer größten Stärken, weil die unterschiedlichen Kunden sich aus einer breiten Anbieterlandschaft die für sie passenden aussuchen können. Je nach Unternehmensgröße ergeben sich unterschiedliche Chancen für die Gesellschaften.
Kleine Gesellschaften punkten mit Kundennähe, Flexibilität und regionaler Verankerung. Sie verstehen die Bedürfnisse ihrer Kunden oft besser als große Anbieter und können individuelle Lösungen bieten – etwa für Handwerksbetriebe, regionale Dienstleister oder spezialisierte Mittelständler. Eine zentrale Herausforderung ist jedoch die Refinanzierung: Der Zugang zu Kapitalmärkten ist begrenzt, was die Wettbewerbsfähigkeit einschränken kann. Erfolgreiche Maßnahmen sind dedizierte Kooperationen mit Banken, die Nutzung von Förderprogrammen, der Aufbau von Refinanzierungspartnerschaften innerhalb der Branche oder die Bündelung von Volumina über Plattformlösungen. Weitere Herausforderungen sind IT-Investments und Remarketing-Fähigkeit in der Breite. Klarer Fokus ist essenziell, da mit sehr hoher Spezialisierung zum Beispiel auch eine kleine Gesellschaft ein erfolgreiches individuelles Remarketing umsetzen kann.
Mittlere Gesellschaften verbinden Skalierbarkeit mit Spezialisierung. Sie verfügen meist über ausreichend Ressourcen, um in Technologie und Personal zu investieren, und können gleichzeitig breitere branchenspezifische Expertise aufbauen – etwa im Gesundheitswesen, in der Logistik, aber auch in sehr spezialisierten Branchen wie Fitness. Ihre Stärke liegt in der Fähigkeit, standardisierte Prozesse mit maßgeschneiderten Lösungen zu kombinieren.
Große Gesellschaften haben die Kraft, eigene Plattformen zu entwickeln, internationale Märkte zu bedienen und damit auch verstärkt Vendorpartnerschaften aufzubauen, da diese länderübergreifend die gleichen Prozesse und Systeme für eine einheitliche, effiziente Abarbeitung benötigen. Die Innovationskraft der großen Anbieter zeigt sich zusätzlich in der Integration von KI in Risikomanagement und Kundenservice oder in der Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle. Zudem können sie durch Skaleneffekte und Diversifikation Risiken besser steuern und neue Märkte und Objektkategorien schneller erschließen.
3. Herausforderungen
Trotz aller Chancen steht die Branche vor großen Herausforderungen; viele davon sind größenunabhängig, wirken aber unterschiedlich:
Regulatorik und Accounting stellen insbesondere kleinere Anbieter vor große Aufgaben. ESG-Reporting, Basel III und Geldwäscheprävention erfordern spezialisierte Kompetenzen und IT-Systeme. Während große Gesellschaften diese Anforderungen oft intern abbilden können, sind kleinere Anbieter auf externe Unterstützung bzw. Lösungen angewiesen, etwa durch spezialisierte Dienstleister oder Verbandslösungen. Insbesondere der Aufwand für Compliance steigt kontinuierlich und bindet Ressourcen, die an anderer Stelle, z.B. in der Kundenbetreuung oder Produktentwicklung fehlen.
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sind zentrale Transformationsfelder und wirken als Enabler. Die Einführung von KI-gestützten Prozessen (z. B. für die Bonitätsprüfung) erfordert Investitionen in Datenqualität, IT-Infrastruktur und IT-Knowhow. Während große Anbieter hier bereits Pilotprojekte umsetzen, kämpfen kleinere und mittlere Gesellschaften mit Ressourcenengpässen.
Zusätzlich entstehen neue Marktteilnehmer, von FinTechs über Plattformanbieter bis hin zu spezialisierten Banken, aber auch die erhöhte PE-Aktivität verändert das Marktumfeld. Die Differenzierung über Servicequalität, Spezialisierung oder technologische Exzellenz wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Gleichzeitig steigt aber auch der Druck zur Konsolidierung, kooperativem Zusammenschluss und Nutzung von externen Serviceleistungen (z. B. Accounting), insbesondere für kleinere Gesellschaften.
Eine Herausforderung ist auch der Fachkräftemangel und dieser betrifft alle Größenklassen. Besonders gefragt sind IT-Fachleute, ESG-Expertinnen und Experten sowie Profis für Datenanalyse. Der Aufbau dieser Kompetenzen wird zur strategischen Priorität, nicht nur zur Umsetzung regulatorischer Anforderungen, sondern auch zur Entwicklung neuer Produkte und Services. Andererseits können damit Vertriebskapazitäten in Zukunft durch effizientere Abarbeitung und Digitalisierung verstärkt in der Kundenbetreuung eingesetzt werden.
Kundenerwartungen verändern sich rasant. Immer mehr Kunden erwarten integrierte Lösungen statt reiner Finanzierung wie Pay-per-Use-Modelle, Full-Service-Leasing, XaaS oder digitale Self-Service-Portale.
4. Fazit und Ausblick
Die Leasing-Branche steht vor einem Jahrzehnt der Transformation. Die gute Nachricht: Die strukturelle Vielfalt der Branche ist ein Vorteil, sofern sie gezielt genutzt wird. Kleine, mittlere und große Gesellschaften haben jeweils eigene Stärken. Um diese allerdings ausspielen zu können, ist eine radikale Fokussierung auf den eigenen USP sowie die Investition in Digitalisierung, Nachhaltigkeit und neue Asset-Klassen nötig.

Dr. Dominik Löber ist Senior Partner bei Roland Berger im Bereich Financial Services und verantwortet das globale Leasing-Geschäft. Er verfügt über umfassende Projekterfahrung bei einer Vielzahl von Leasing-Gesellschaften mit besonderem Fokus auf strategische Fragestellungen, Geschäftspolitik und die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen.

Dr. Julian Gulden ist Partner bei Roland Berger im Bereich Financial Services. Er berät führende Unternehmen im Equipment-Leasing – von Captives über unabhängige Anbieter bis hin zu bankennahen Gesellschaften – mit Fokus auf Strategieentwicklung, neue Geschäftsmodelle und operative Effizienz.

Dr. Simon Kuhn ist Senior Project Manager bei Roland Berger im Bereich Financial Services. Er begleitet Kunden aus der Leasing-Branche bei der Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle, der digitalen Transformation sowie bei Fragen der Refinanzierung und strategischen Ausrichtung.