Steuerpolitik: Licht und Schatten im Koalitionsvertrag
Kaum ein Politikfeld war im Bundestagswahlkampf so umstritten wie die Steuer- und Finanzpolitik. Nachdem bereits die Ampelkoalition an Haushaltsfragen zerbrochen war, prallten in den Wahlprogrammen der Parteien mitunter diametral gegensätzliche Sichtweisen zum Umgang mit den Staatsfinanzen aufeinander. Der BDL hatte sich gemeinsam mit anderen Wirtschaftsverbänden im Vorfeld für eine Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und für eine klare Investitionsagenda eingesetzt. Der steuer- und finanzpolitische Teil der Koalitionsverhandlungen wurde deshalb mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt.
Programmatische Gegensätze von CDU, CSU und SPD werden auch im am 5. Mai 2025 unterzeichneten Koalitionsvertrag deutlich. Dem Vernehmen nach drohten die Verhandlungen auf der Zielgeraden sogar an fortgesetzten SPD-Forderungen nach Steuererhöhungen zu scheitern. Die steuerpolitischen Inhalte verlangten deshalb allen Beteiligten große Kompromissfähigkeit ab, was bei Einwertung der erzielten Ergebnisse zu berücksichtigen ist. Über einen Minimalkompromiss hinaus zeigen sich positive Ansätze. Dabei ist festzuhalten, dass alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages unter Finanzierungsvorbehalt stehen.
Keine tiefgreifende Unternehmenssteuerreform
Von einem „Einstieg in eine Unternehmenssteuerreform“, wie er in den Sondierungsgesprächen vereinbart worden war, ist im Koalitionsvertrag nicht mehr viel zu finden. Immerhin wird die vom BDL und anderen Wirtschaftsverbänden geforderte Absenkung der Unternehmenssteuerbelastung auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau zumindest für Kapitalgesellschaften angegangen.

BDL-Geschäftsführer Dr. Martin Vosseler führt aus:
Die vereinbarte stufenweise Absenkung des Körperschaftsteuersatzes um jährlich einen Prozentpunkt ab 2028 lässt den Zielwert von 25 Prozent für die Gesamtbelastung erst in sieben Jahren ab 2032 erreichen. Es erscheint fraglich, ob mit diesem Vorgehen die angestrebte Signalwirkung in Sachen steuerlicher Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland erreicht werden kann. Naheliegender wäre die von uns geforderte Abschaffung des Solidaritätszuschlags gewesen, der mittlerweile vor allem zu einer Unternehmenssteuer mutiert ist. Darauf konnte sich die Koalition jedoch nicht verständigen.
Eine Streichung des „Solis“ hätte auch Personenunternehmen entlastet, die von der Körperschaftsteuersenkung nicht profitieren. Stattdessen stellen die Koalitionäre mit Blick auf eine rechtsformneutrale Besteuerung Verbesserungen beim Optionsmodell (§ 1a KStG) sowie bei der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) in Aussicht. Ferner soll geprüft werden, ob ab 2027 die gewerblichen Einkünfte neu gegründeter Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform in den Geltungsbereich der Körperschafsteuer fallen können. Die zur Mitte der Legislaturperiode in Aussicht gestellte Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen dürfte im unternehmerischen Bereich keine nennenswerte Anreizwirkung entfalten.
Bei der Gewerbesteuer sind keine Erleichterungen zu erwarten – im Gegenteil. Im Kapitel Kommunalfinanzen heißt es unbestimmt, „im Falle einer Weiterentwicklung der Gewerbesteuer“ werde man die Einnahmen der Kommunen sichern. Konkreter wird es beim Gewerbesteuer-Mindesthebesatz, der von 200 auf 280 Prozent angehoben werden soll. Außerdem will man „Scheinsitzverlegungen in Gewerbesteuer-Oasen“ entgegenwirken.
„Investitions-Booster“ degressive Abschreibung
Unter der Bezeichnung „Investitions-Booster“ will die Koalition vorübergehend eine stark degressive steuerliche Abschreibung („AfA“) auf Ausrüstungsinvestitionen zulassen.

Dr. Bettina Maaß, Vorsitzende des Bilanz- und Steuerausschusses des BDL, erläutert:
Die degressive AfA ist sehr zu begrüßen. Der avisierte Höchstsatz von 30 Prozent geht sogar über die Forderung des BDL hinaus. Wie üblich hat man sich für eine zeitlich befristete Einführung – diesmal für die Jahre 2025, 2026 und 2027 – entschieden, um die Anreizwirkung zusätzlich zu intensivieren. Für langfristige Planungssicherheit der Unternehmen wäre eine unbefristete Regelung besser gewesen. Wir hoffen auf einen spürbaren Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen.
Daran dürfte auch Leasing partizipieren, wo je nach individuellem Kundenbedürfnis und Nutzungsverlauf auch nichtlineare – z. B. degressive – Ratenverläufe angeboten werden können.
Ebenfalls zu begrüßen sind die geplanten steuerlichen Maßnahmen zur Förderung der E-Mobilität. Dies betrifft u. a. die vom BDL geforderte Anhebung der Bruttopreisgrenze bei der ermäßigten Dienstwagensteuer auf 100.000 Euro sowie die Verlängerung der Kfz-Steuerbefreiung für Elektroautos bis 2035. Vom angekündigten beschleunigten Ausbau der Ladeinfrastruktur kann Leasing dank der vom BDL erreichten Klarstellung der generellen Leasing-Fähigkeit von Ladevorrichtungen profitieren. Gleiches gilt für die Förderung einer Wasserstoff-Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge. Die in Aussicht gestellte Sonderabschreibung für E-Fahrzeuge dürfte hingegen nur dann zusätzliche Anreizwirkung entfalten, wenn sie über die 30-prozentige degressive AfA hinaus bzw. nach deren Auslaufen ab 2028 gewährt wird.
Ambitionierte Bürokratieabbau-Ziele
Wie jede neue Bundesregierung verspricht auch die schwarz-rote Koalition Bürokratieabbau.
Im europapolitischen Teil des Koalitionsvertrags will sich die neue Bundesregierung für eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer einsetzen. Der dazu vorliegende Richtlinienvorschlag der EU-Kommission („BEFIT“) wird vom BDL abgelehnt.
Dr. Bettina Maaß, Vorsitzende des Bilanz- und Steuerausschusses des BDL, erläutert:
"Konkret sollen die Bürokratiekosten für die Wirtschaft um 25 Prozent – rund 16 Milliarden Euro – reduziert und darüber hinaus der Erfüllungsaufwand für Unternehmen, Bürger und Verwaltung um 10 Millionen Euro gesenkt werden. Jedes Ressort ist dafür selbst entsprechend seinem quotalen Verursachungsbeitrag verantwortlich. Das klingt durchaus ambitioniert. Wir werden die neue Bundesregierung daran messen, wie engagiert sie das Thema in der gesetzgeberischen und administrativen Praxis angeht. Ein Durchbruch auf dem wichtigen Feld des Bürokratieabbaus wäre jedenfalls sehr zu wünschen."
Dr. Martin Vosseler erläutert die Gründe für die Ablehnung:
"Wir teilen zwar Ziele wie Steuervereinfachung, Rechtssicherheit und Reduzierung der Befolgungskosten, halten jedoch BEFIT im Detail für ungeeignet. Grundsätzlich sollten die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern verteidigt und nationale Unterschiede in den Steuersystemen respektiert werden."
Zusammenfassend zieht der BDL-Geschäftsführer ein verhalten positives Fazit der steuerpolitischen Inhalte des Koalitionsvertrages:
Wichtig ist, dass die neue Bundesregierung ohne Steuererhöhungen auskommt. Bei der Absenkung der Unternehmenssteuerbelastung hätten wir uns ein beherzteres Vorgehen gewünscht. Mit der degressiven AfA können in der Zwischenzeit hoffentlich dringend benötigte Investitionsimpulse gesetzt werden. Sorgenkind bleibt weiterhin die ebenso reformbedürftige wie reformresistente Gewerbesteuer. Als BDL werden wir die Koalition bei der Umsetzung ihrer Vorhaben ebenso konstruktiv wie kritisch begleiten.
Bundesfinanzministerium bestätigt steuerliche Leasing-Fähigkeit von Ladevorrichtungen
Damit Ladeinfrastruktur, Wärmepumpen und ähnliche Transformationsgüter verleast werden können, ist es wichtig, dass sie steuerlich als selbständige bewegliche Wirtschaftsgüter beurteilt werden. Im konstruktiven Dialog mit der Finanzverwaltung konnte der BDL diesbezüglich einen wichtigen Beitrag zu mehr Rechtssicherheit in der Leasing-Praxis leisten. Auf Anfrage des Verbandes hat das Bundesfinanzministerium klargestellt, dass Ladevorrichtungen stets selbständige bewegliche Wirtschaftsgüter sind, auch wenn sie in ein Gebäude eingebaut oder z. B. im Zusammenhang mit einer Photovoltaikanlage errichtet werden. Auch für Wärmepumpen kann diese Voraussetzung für steuerliche Leasing-Fähigkeit unter bestimmten Umständen erfüllt sein. Somit kann Leasing auch in diesem Bereich einen wichtigen Beitrag zur Energie- und Mobilitätswende leisten.